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Wie Verden mit Kultur die Innenstadt beleben will

Verden fördert ab 2024 kostenlose Veranstaltungen in der Fußgängerzone. Breite kulturelle Teilhabe ist für Özge Kadah, Ortsvereinsvorsitzende und Kind jesidischer Eltern, sehr wichtig.
von Ulf Buschmann · 2. Januar 2024

Es gibt Tage, an denen Özge ­Kadah besonders glücklich ist, Mitglied der SPD und Vorsitzende des Ortsvereins Verden zu sein – der 14. November ist so einer. An diesem Tag hat der Rat der Stadt Verden einen für viele Kommunen wegweisenden Beschluss gefasst. Das Gremium stellt von 2024 an jährlich 25.000 Euro zur „Förderung öffentlicher kostenfreier Kulturveranstaltungen in der Fußgängerzone“ zur Verfügung. Außerdem können Vereine für eigene Aktionen in der City „eine Kostenerstattung bis zu 2.500 Euro pro Veranstaltung erhalten“.

Gegen Leerstände kämpfen

Der Beschlussvorschlag, der auf SPD-­Initiative zustande kam, ist für ­Kadah einer von mehreren Bausteinen zur Belebung der Kreisstadt an der Aller. Mit Leerständen und schwindender Attraktivität in der Innenstadt hat Verden wie alle kleinen und mittleren Städte insbesondere seit der Corona-Pandemie zu kämpfen. Der Trend zum Einkaufen von zu Hause aus hat sich immer mehr durchgesetzt. Viele Läden haben aufgegeben. Außerdem haben die Verdener Kommunalpolitikerinnen und -politiker mit ihrem Beschluss dafür gesorgt, dass auch Menschen mit wenig Geld Zugang zur Kultur haben. „Mit öffentlichen kostenlosen Veranstaltungen können Möglichkeiten geschaffen werden, Kultur bewusst erleben zu können und das eben unabhängig vom Einkommen“, sagt die örtliche SPD-Chefin.

Özge Kadah ist dies vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biografie besonders wichtig. Sie und ihre Familie sind Jesiden. Wegen der damals schon allgegenwärtigen Unterdrückung ihrer Volksgruppe verließen die Kadahs Anfang der 1990er Jahre ihr Heimatland, die Türkei, und beantragten in Deutschland Asyl. Kadah ist mit 27 Jahren die jüngste von acht Geschwistern – logisch, dass bei solch einer großen Familie kulturelle Teilhabe nicht stattfand.

Aufstieg geglückt

„Mein Vater hat sich das Lesen und Schreiben selbst beigebracht“, gibt sie Einblick in ihre Biografie. Özge Kadah ist denn auch glücklich darüber, dass sie die Möglichkeit hatte, ihr ­Abitur am Verdener Domgymnasium zu machen und an der Universität Bremen Wirtschaftsingenieurwesen im Bereich der Elektrotechnik zu studieren. Politisch ist sie schnell durchgestartet: Die Verdenerin trat 2016 in die SPD ein. Bei den Kommunalwahlen im Herbst 2021 errang sie ein Mandat, seit dem Frühjahr ist sie Chefin der Verdener SPD.

Sie ist überzeugt, dass die „Veranstaltungen in der Verdener City als Magnete funktionieren, um mehr Menschen in unsere Stadt zu bringen und die Frequenz für die Geschäfte und Restaurants zu erhöhen“. Darüber hinaus hat der Rat auf Initiative der SPD weitere Projekte angeschoben beziehungsweise für deren Fortsetzung gesorgt – die „Probierstadt“ etwa. In leerstehenden Ladengeschäften sollen Gründende die Möglichkeit bekommen, mit einem Pop-up-Store ihre Geschäftsideen auszuprobieren. Dafür stellt die Kommune von 2024 bis 2028 jährlich „bis zu 24.000 Euro“ zur Verfügung, so der Beschluss. Dass es funktioniert, zeigte sich bereits beim Vorläuferprojekt „Probierstadt Verden“ von 2020 bis 2023. Das Geld dafür hatte das Land Niedersachsen zur Verfügung gestellt.

Wünsche der Menschen aufnehmen

Dass die Menschen sich eine lebendige Innenstadt wünschen, haben Özge Kadah und die SPD auf unterschiedliche Weise mitbekommen: als Ergebnis einer Umfrage und in Gesprächen vor Ort. Doch von alleine geht es nicht, so die Erkenntnis: „Wenn wir lebendige Orte möchten, müssen wir Angebote schaffen, die unterschiedliche Menschen ansprechen. Es geht dabei also vor allem darum, die Vielfalt unserer Stadt zu fördern“, betont Kadah. Mit den Beschlüssen in Sachen Kultur und „Probierstadt“ seien die Wünsche der Menschen aufgenommen worden.

Damit sei es gelungen, ein Stück sozialdemokratischer Programmatik Wirklichkeit werden zu lassen, das Özge Kadah ein ganz persönliches Anliegen ist: Solidarität in der Politik unvermittelt sichtbar zu machbar. „Die Welt besser zu machen, geht am besten vor Ort“, ist die angehende Ingenieurin überzeugt. Und: „Solidarität wird nicht verwaltet, man muss sie im Alltag leben.“

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Ulf Buschmann

Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.

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