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Preisexplosion bei braunen Autobahnschildern

Ein neues Schildermaß führt zu erheblichen Mehraufwand beim Aufstellen touristischer Hinweistafeln. Die Stadt Sangerhausen in Sachsen-Anhalt soll 181.000 Euro für zwei Schilder zahlen – und wehrt sich dagegen.
von Karin Billanitsch · 27. März 2024

Wer kennt sie nicht: In braun gehaltene Schilder mit weißer Schrift und weißen Piktogrammen an der Autobahn, die die Sehenswürdigkeiten der vorbeiziehenden Gegend bewerben. Ohne sie würde man wohl am „Karpfenland mittlere Oberpfalz“, der „Ringelnatz-Stadt Wurzen“, am „Fernweh-Park Oberkotzau oder der „Schneewittchenstadt Lohr am Main“ einfach vorbeifahren.

Mehr als 3.400 Tafeln

Meist sind es Kultur- oder Baudenkmäler, auf die sie hinweisen. Auch Welterbestätten oder besondere Landschaften oder Regionen wie die „Lüneburger Heide“, die „Metropole Ruhr“ oder der „Chiemgau“ werden auf diese Weise besonders erwähnt.

In der Straßenverkehrsordnung werden sie etwas umständlich als „Touristische Unterrichtungstafeln“ bezeichnet. Von ihnen gibt es, laut ADAC in 2020, mehr als 3.400 – Tendenz steigend. Besonders viele Tafeln gebe es in Bayern, nämlich mehr als 800, heißt es. Den Anfang machte in Deutschland im Jahr 1983 „Burg Teck“ auf der Autobahn A 8.

Jeder sechste Verkehrsteilnehmer macht einen Abstecher

Dass sie gut wahrgenommen werden, zeigt eine Studie an der Hochschule Harz von 2019: Nahezu alle Befragten (96 Prozent) gaben an, die Schilder während der Fahrt gesehen zu haben. Rund zwei Drittel könnten sich demnach auch noch an konkrete Inhalte einzelner Tafeln erinnern. Und manche springen laut Studie auch sofort auf den Inhalt an: Demnach ist jeder sechste Verkehrsteilnehmende auf deutschen Autobahnen schon einmal spontan abgefahren, um eines der beworbenen Ziele zu besuchen.

Grund genug für viele Kommunen, in ein solches Schild zu investieren. So zum Beispiel auch die Gemeinde Sangerhausen. Seit Dezember 2005 werben zwei touristische Unterrichtungstafeln an der Autobahn 38 für das dortige Europa-Rosarium. Doch die Schilder sind mittlerweile in die Jahre gekommen: „Nachdem diese leider derart verblasst sind, dass sie kaum noch zu erkennen sind, hatte die Stadt vor, diese Schilder zu erneuern“, teilt die Sprecherin mit.   

Neue Maße, hohe Kosten

Doch das hat sich als langwierige und teure Angelegenheit herausgestellt und „führte wegen der damit verbunden Kosten sogar zu einem Eintrag in das Schwarzbuch 2023 durch den Bund der Steuerzahler e.V.“ Die Umstände erklärt der Bund der Steuerzahler in dem jährlich erscheinenden Schwarzbuch: Vor dem 1.1.2021 waren die Länder zuständig und schrieben als gängiges Schildermaß zwei mal drei Meter vor – „eigentlich ausreichend“, wie der Steuerzahlerbund findet. Doch mittlerweile ist die Autobahn GmbH Herrin über die Standards. Und inzwischen gilt eine Größe von 2,4 mal 3,6 Metern.

Das alles führe zu „einem erheblichen Mehraufwand“, lautet die Kritik.  181.000 Euro soll die Stadt für 2 neue Schilder berappen. Eigentlich hatte sie mit weit weniger gerechnet: „Die für die Stadt Sangerhausen resultierenden Kosten wurden im Januar 2023 mit ca. 10.000 Euro je Tafel für eine Nutzungsdauer von 15 Jahren beziffert“, teilt die Sprecherin mit. Im Oktober 2023 sei der Stadt überraschenderweise mitgeteilt worden, dass die vorläufigen Kosten für die Erneuerung beider Schilder bei exorbitanten 181.000 Euro liegen.

Wofür die Verantwortlichen kein Verständnis aufbrachten war, dass „trotz expliziter Nachfrage nach einer detaillierten Kostenaufstellung, aus welcher hervorgeht, wie sich dieser plötzlich exorbitante Betrag zusammensetzt, die Autobahn GmbH bisher nicht bereit war, die notwendige Transparenz zu schaffen“, heißt auf Nachfrage der DEMO. Die Autobahn GmbH hat bis Redaktionsschluss nicht auf eine Anfrage der DEMO reagiert.

Mittlerweile hat Oberbürgermeister Sven Strauß (SPD) Kontakt mit dem zuständigen Bundesministerium für Digitales und Verkehr aufgenommen, teilte die Stadt weiter mit. „In einem persönlichen Schreiben an den Bundesverkehrsminister Dr. Wissing wurde die Sachlage erläutert und um entsprechende Unterstützung gebeten.“

Neben der Bitte um Aufklärung über die Gründe der gestiegenen Kosten fragte Strauß auch nach der Möglichkeit eines Bestandschutzes der Unterrichtungstafeln, heißt es. Nun heißt es abzuwarten, „ob doch noch ein kostengünstigerer Weg für die Erneuerung der Schilder geschaffen wird“, damit Sangerhausen auch künftig für den weltgrößten Rosengarten werben kann.

Eine Antwort des Ministers steht noch aus, lediglich eine Registriernummer durch das Fernstraßenbundesamt (FBA), wo der Vorgang jetzt liegt, gibt es. So treibt der Bürokratie-Wahnsinn immer neue Blüten.

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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